Das GANZE Werk - Presseschau

Zitat
Das Bundesverfassungsgericht ist der Meinung, dass die „besondere Eigenart“ des öffentlichen Rundfunks - „namentlich seine Finanzierung durch Gebühren“ - erst durch die Erbringung solcher Programmteile ihre Rechtfertigung findet, die unter kommerziellen Bedingungen defizitär bleiben. Der öffentlich rechtliche Rundfunk findet diese Rechtfertigung nicht schon darin, „dass sich jeweils möglichst viele Menschen einschalten, sondern erst darin, dass er neben massenattraktiven Sendungen auch anspruchsvolle kulturelle Sendungen“ mit „hohem Kostenaufwand“ in seinem Programm hat, „die nur für eine geringe Zahl von Teilnehmern von Interesse sind“.

Exklusiv beim GANZEN Werk:
Die Pressemeldung von Gerhart Baum, aus der die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 11. Januar 2006 zitierte.

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Gerhart Baum regt eine unabhängige sachverständige Begutachtung an, nachdem die Aufsichtsgremien ihre Aufgaben offenbar nicht wahrnehmen

Gerhart Baum
Rechtsanwalt
Bundesminister a.D.
Ubierring 50   D-50678 Köln   Tel 0221 - 3276 20   Fax 0221 - 3276 21
Email: grbaum@t-online.de

Pressemeldung / 10.1.2006

Aushöhlung des Kulturauftrags
durch Programme der so genannten Kulturradios

Der wachsende Unmut und die öffentliche Kritik an der Aushöhlung des Kulturauftrags durch den öffentlich rechtlichen Rundfunk durch das Programm einiger Kulturwellen der ARD, vor allen Dingen des RBB in Berlin, veranlasst mich zu folgenden Feststellungen und Schlussfolgerungen:

Die Kulturwelle des RBB erfüllt nicht mehr den grundgesetzlich gebotenen Kulturauftrag. Sie verstößt auch gegen Europäisches Wettbewerbsrecht. Diese Art der Programmgestaltung entzieht dem öffentlich rechtlichen Gebührensystem die Rechtfertigung.

Der RBB hat in einer öffentlichen Erklärung zum Ausdruck gebracht, dass er das Programm dem allgemeinen Geschmack mehr anpassen wolle. Dementsprechend hat das Programm seiner Kulturwelle bei drastischem Abbau u.a. in den Bereichen der Neuen und Alten Musik erhebliche Qualitätseinbußen erlitten.

Die EU-Kommission wird zu prüfen haben - eine solche Prüfung wird von meiner Seite initiiert -, ob diese Entwicklung mit der Mitteilung der Bundesregierung an die Kommission zur Rechfertigung der Gebührenfinanzierung von Mai 2005 noch im Einklang ist. Darin wird u.a. die Befriedigung der „kulturellen Bedürfnisse“ durch den öffentlich rechtlichen Rundfunk als Abgrenzung gegenüber den privaten Anbietern hingewiesen. Eine dementsprechende Ergänzung des Staatsvertrags wird angekündigt.

Der RBB erfüllt mit dem Programm seiner Kulturwelle nicht die verbindlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für das öffentlich rechtliche Rundfunksystem. Das Gericht ist der Meinung, dass die „besondere Eigenart“ des öffentlichen Rundfunks - „namentlich seine Finanzierung durch Gebühren“ - erst durch die Erbringung solcher Programmteile ihre Rechtfertigung findet, die unter kommerziellen Bedingungen defizitär bleiben. Der öffentlich rechtliche Rundfunk findet diese Rechtfertigung nicht schon darin, „dass sich jeweils möglichst viele Menschen einschalten, sondern erst darin, dass er neben massenattraktiven Sendungen auch anspruchsvolle kulturelle Sendungen“ mit „hohem Kostenaufwand“ in seinem Programm hat, „die nur für eine geringe Zahl von Teilnehmern von Interesse sind“.

Die Intendantin des RBB ist aufgefordert einen Kurswechsel vorzunehmen, der auch dem kulturellen Anspruch der deutschen Hauptstadt Rechnung trägt.

Die vielfach geäußerte Kritik an anderen Kulturwellen - vor allem des NDR, MDR und des HR sollte Anlass für eine unabhängige sachverständige Begutachtung sein, nachdem die Aufsichtsgremien diese Aufgaben offenbar nicht wahrnehmen.

Lesen Sie zur Auseinandersetzung mit dem RBB-Kulturradio auch:

Antwort der Intendantin des RBB
auf den Offenen Brief von Gerhart Baum (28. März 2006)

in einer Gegenüberstellung mit dem Brief von Gerhart Baum und mit Hintergrundinformationen
abschließend mit einem Kommentar von Theodor Clostermann in der Form eines Zwiegesprächs: „Rosinenpickerei und Eigenlob - aber keine grundsätzlichen ‚Fakten‘“
Zur Vorbereitung einer Podiumsdiskussion am 22. Juni 2006 in Berlin zum Thema:
„rbb kulturradio - Wird der Kulturauftrag noch erfüllt? - Ein Streitgespräch“
Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), 12. April 2006

Offener Brief an die Intendantin des RBB
Aufruf zur Stärkung des Kulturauftrags des öffentlich-rechtlichen Hörfunks - Karlsruhe und Brüssel müssen eingeschaltet werden
Wenn die Sender auf Rechten bestehen - und ich kann durchaus nachvollziehen, dass sie sich an Karlsruhe wenden - müssen sie auch ihre Pflichten erfüllen.
Gerhart Baum, 28. März 2006, Erstveröffentlichung beim GANZEN Werk

Radio ohne Kultur
Gerhart Baums Kritik am Rundfunk
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Januar 2006

Lesen Sie zum Kulturauftrag von Gerhart Baum:

Auftrag, nicht Wohltat - Öffentlicher Rundfunk und Neue Musik
Grundsätzliches zum Kulturauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
Das Bundesverfassungsgericht ist der Meinung, dass die „besondere Eigenart“ des öffentlichen Rundfunks erst durch die Erbringung solcher Programmteile „ihre Rechtfertigung“ findet, die unter kommerziellen Bedingungen notwendig defizitär bleiben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. März 2005

Dokumentation:

Mitteilung der Bundesregierung an die Kommission zur Rechtfertigung der Gebührenfinanzierung vom Mai 2005

In der „Mitteilung der Bundesregierung an die Europäische Kommission Staatliche Beihilfen E 3/2005 - Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – Deutschland“ (Pdf-Datei - 292 kb) vom 6. Mai 2005 heißt es im Kapitel
„I. Ankündigung konkreter Maßnahmen, das Verfahren zum Abschluss zu bringen
A. Auftrag“ auf Seite 2 und 3:

„Die Länder werden dieses Verfahren stärker ausformen und vorsehen, dass für neue oder veränderte Aktivitäten Selbstverpflichtungen von den Gremien zu beraten und zu genehmigen sind. Zusätzlich wird der Staatsvertrag die Vorgabe enthalten, dass die Selbstverpflichtungen deutlich machen, inwieweit die Aktivität (1.) zum Auftrag gehört und damit den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen einer Gesellschaft entspricht und (2.) in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb beiträgt. Schließlich wird obligatorisch gemacht werden, dass die Anstalten (3.) den Aufwand konkretisieren, der für die Erbringung des Angebotes vorgesehen ist. Die staatsvertragliche Regelung wird die Vorgabe vorsehen, dass die genannten Begründungen hinreichend konkret sind, um der internen und externen Aufsicht, aber auch Dritten eine Beurteilung des Angebots zu ermöglichen.“

In dem Teil „3. Rundfunkgebühren sind keine Beihilfen im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG“ steht in einem Beispiel genauer, dass dieser Dienst auf der Ebene der Verbraucher gefördert werden (soll), um freien Informationsfluss, Medienpluralismus und Zugang zu kultureller Vielfalt zu gewährleisten (Seite 23 unten).

Lesen Sie außerdem unsere Meldungen dazu im Mai 2005, es war kurz vor Beginn des Schleichwerbeskandals

6. bis 20. Mai 2005: Mehr Details des Briefes der Bundesregierung

Beihilfestreit mit EU-Kommission in Sachen ARD/ZDF
• ZDF, 20. Mai 2005
Deutsche Vorschläge tragfähige Grundlage für eine Einigung
ZDF-Intendant Schächter: Rolle der Gremien gestärkt
• Editorial von epd medien Nr. 38, 18. Mai 2005
Die deutsche Antwort
Sachverhalt und Hinweis auf Dokumentation von epd medien
• Handelsblatt, 9. Mai 2005
Bundesländer zwingen Sender zur Transparenz
Mehr Rechte für Kontrollgremien von ARD und ZDF - Wahrscheinlich bis Ende 2005 soll der Rundfunkstaatsvertrag geändert werden
• Vollständiger Brief der Bundesregierung, 6. Mai 2005
Mitteilung der Bundesregierung an die Europäische Kommission
Staatliche Beihilfen E 3/2005
Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – Deutschland
Dokumentation der Bundesregierung, ohne Inhaltsverzeichnis (292 kb)