Das GANZE Werk - Presseschau (Dokumentation)

die tageszeitung (taz), 14. Juli 2005 (Ausschnitte)

Viele namhafte TV-Produzenten werden beständig angebaggert, um sie für Placements zu gewinnen, zum Beispiel die gesamte ARD-Ratgeber- und Gesundheitsschiene

„Schon vorher informiert“

Volker Lilienthal, der das Product Placement bei „Marienhof“ aufdeckte, über wissende ARD-Granden und fehlenden Kontrollwillen der Anstalten

Interview: Steffen Grimberg (...)

taz: Herr Lilienthal, wie beurteilen Sie die bisherigen Reaktionen der ARD auf die Schleichwerbungsaffäre?

Volker Lilienthal: Diese Art Krisenmanagement überrascht mich schon. Anfangs war ich überzeugt, dass man da wirklich aufräumen wollte, dass man unwissend und unschuldig war. Aber mittlerweile mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass diverse ARD-Granden schon vorher informiert waren. (...)

ARD-Programmdirektor Günter Struve hat erklärt, er habe keine Einsicht in die bisherigen vorliegenden internen Prüfberichte bekommen - und ist in Urlaub gefahren.

Dem Herrn Struve, der bestimmt viel zu tun hat, sei der Urlaub gegönnt. Aber auch er hätte nach einem ersten Alarmzeichen im Mai 2004 früher handeln können. In der Tat kann man den Eindruck bekommen, dass das Krisenmanagement der ARD nicht gerade gut läuft. Sie wird überrollt (...). Das erwischt die ARD einfach kalt. (...)

Bavaria-Chef Thilo Kleine (stirbt) derweil einen Tod auf Raten: erst die Abmahnung, jetzt die Beurlaubung...

Das sind Ihre Worte, nicht meine. Richtig ist: Von Anfang meiner Recherchen, also seit April 2003, habe ich versucht, ein Interview mit Herrn Kleine zu bekommen. Ich hatte ihm über seinen Sprecher auch signalisiert, worum es geht: nicht um einen Einzelfall, sondern um langjährige Zusammenarbeit der Bavaria mit einer Schleichwerbungsagentur. Diese Hinweise hat er ganz offenkundig nicht ernst genommen und mir sogar erklären lassen, er kenne die Firma H. + S. gar nicht.

Ist die Affäre denn auf die Bavaria und „Tatorte“ begrenzt?

Nein, sicherlich nicht. Die Unterlagen, die ich von der Schleichwerbungsagentur habe, deuten darauf hin, dass viele namhafte TV-Produzenten beständig angebaggert werden, um sie für Placements zu gewinnen. Zum Beispiel die gesamte ARD-Ratgeber- und Gesundheitsschiene. Die Schleichwerbungsagentur hat mir gegenüber sogar für sich in Anspruch genommen, bezahlte PR-Botschaften in die „Tagesthemen“ schmuggeln zu können. Ich will hoffen, dass das nicht stimmt. (...)

Jetzt kommen mehrere Dinge zusammen: „Marienhof“ ist eine populäre Serienmarke, das schafft Aufmerksamkeit. Zudem werden die öffentlich-rechtlichen Tochterfirmen ja gerade in Brüssel geprüft. Und dann haben wir es bei der Bavaria mit der drittgrößten deutschen TV-Produktionsfirma überhaupt zu tun - auf die die öffentlich-rechtlichen Gesellschafter, also die vier Sender WDR, SWR, MDR und BR, direkten Kontrollzugriff hätten nehmen können. Was sie aber nicht taten.