Das GANZE Werk - Dokumentation zum Goebbels-Zitat

Wissenschaftliche Schriftenreihe für Rundfunk und Fernsehen
Band 1, Ausschnitt S. 281 - 283

Der Rundfunk als Instrument der Politik

Zur Geschichte des deutschen Rundfunks von 1923/38

von Heinz Pohle
Verlag Hans Bredow Institut - Hamburg 1955
herausgegeben vom Hans Bredow - Institut an der Universität Hamburg
Direktor: Prof. Dr. Egmont Zechlin

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Das Rundfunkjahr 1935 läßt dann den Übergang zur dritten Phase nationalsozialistischer Programmgestaltung erkennen, deren Handhabung wir am besten durch die Worte des Reichspropagandaministers charakterisieren können:

„Das Programm des Rundfunks muß so gestaltet werden, daß es den verwöhnteren Geschmack noch interessiert und dem anspruchslosen noch gefällig und verständlich erscheint. Es soll in einer klugen und psychologisch geschickten Mischung Belehrung, Anregung, Entspannung und Unterhaltung bieten. Dabei soll besonderer Bedacht gerade auf die Entspannung und Unterhaltung gelegt werden, weil die weitaus überwiegende Mehrzahl aller Rundfunkteilnehmer meistens vom Leben sehr hart und unerbittlich angefaßt wird, in einem nerven- und kräfteverzehrenden Tageskampf steht und Anspruch darauf hat, in den wenigen Ruhe- und Mußestunden auch wirkliche Entspannung und Erholung zu finden. Demgegenüber fallen die wenigen, die nur von Kant und Hegel ernährt werden wollen, kaum ins Gewicht.“
Rede zur Eröffnung der Rundfunkausstellung 1936, Abdruck in „Mitteilungen der RRG“, Nr. 501 vom 28. August 1936, Bl. 4.

Mit der neuen Tendenz der Programmgestaltung hatte der nationalsozialistische Rundfunk nun seine hohen kulturellen Ambitionen erheblich zurückgesteckt, und nur selten läßt sich in den Reden und Artikeln dieser Zeit das 1934 so oft gebrauchte Schlagwort vom „Rundfunk als Kultur- und Kunstinstrument“ finden. Sogar der Deutschlandsender, der „repräsentativste Sender des nationalsozialistischen Deutschland“, steht relativ stark im Zeichen der leichten Unterhaltung. Und als nach der Rundfunkneuordnung im Jahre 1937 der neue Reichsintendant seine ersten Weisungen gibt, geht er auf diesem Wege noch weiter und verkündet gemäß der vom Reichspropagandaminister ausgegebenen Richtlinie:

„Die Programme der Reichssender werden für die Zukunft weitgehendst aufgelockert unter Verzicht auf alle Art geistigen Hochmuts.“
Rede Heinrich Glasmeiers vor den Rundfunkintendanten im Mai 1937 (Teilabdruck in „Archiv für Funkrecht“, 10. Bd. [1937], S. 211).

Die Rücksichtnahme auf die Wünsche der breiten Hörermasse hatte sich damit auch im nationalsozialistischen Rundfunk durchgesetzt, denn — das war im Verlaufe bisheriger Praxis erkannt worden — wollte man die Hörerschaft politisch beeinflussen, mußte man sich weitgehend nach ihren Wünschen richten, sofern diese sich lediglich auf das Gebiet der (scheinbar) unpolitischen Programmgestaltung erstreckten. Der nationalsozialistische Rundfunk war schließlich kein „Drahtfunk“, bei dem sich die Hörerschaft mit einem oder zwei Programmen abspeisen lassen oder eben abschalten mußte, sondern der Großteil der Hörer hatte bei dem hochentwickelten Stand der Rundfunktechnik jederzeit die Möglichkeit, auf einen ausländischen Sender abzuwandern — und man machte von dieser Gelegenheit je nach der Art der Programme der deutschen Sender auch Gebrauch, wie es den Berichten, die dem Propagandaministerium vorlagen, zu entnehmen war. Auskunft von Hans-Joachim Weinbrenner an den Verf. (Nov. 1952).

Diesem Übel galt es zu steuern. Was war besser geeignet, als daß man das große Unterhaltungsbedürfnis der breiten Masse befriedigte. Daß damit zugleich die geistige Widerstandskraft gebildeter Kreise, denen so manches Werk eines Dichters, Komponisten oder Philosophen auch in der Rundfunkdarbietung neuen Mut gegenüber der nationalsozialistischen Wirklichkeit gegeben hatte, geschwächt wurde, konnte den Nationalsozialisten in ihrem Kampf gegen die „Intellektuellen“ nur dienlich sein. Wenn wir vorhin also von einer „scheinbar“ unpolitischen Programmgestaltung sprachen, welche die starke Berücksichtigung des Unterhaltungsbedürfnisses der Hörerschaft darstellte, so können wir nun sehr wohl sagen, daß auch die vermehrten Programme unter dem Akzent der leichten Unterhaltung, die eine Verflachung des Niveaus aller Teile der Rundfunkprogrammgestaltung nach sich zogen, ihre politisch-propagandistische Aufgabe hatten, nämlich, die Hörermasse empfangswillig zu machen und empfangsbereit zu halten für die Stunden, in denen der Staatsbürger angesprochen, informiert und aufgeklärt, d. h. beeinflußt werden sollte. Außerdem aber gab es kein besseres Narkotikum, kein besseres Beruhigungs- und Ablenkungsmittel für die breite Masse — das sollte sich besonders im Verlaufe des Krieges erweisen — als die ständige „Berieselung durch die Unterhaltungsmaschine Rundfunk“.

Lesen Sie die einzelnen Teile des RBB-Dossiers

Teil 1: Dokumentation - Moderation und Original-Zitat
Teil 2: Sinkende Hörerzahlen treiben schon seltsame Blüten
Zustimmung, Leichtfertigkeit oder Naivität im Umgang mit einem Zitat von Goebbels?
Ein Zitat, das dem systematischen Ausbau der NS-Herrschaft diente, darf nicht für die Kulturradio-Debatte missbraucht werden!
Teil 3: Musikredakteur Demmler alarmiert drei ARD-Intendanten
Karikatur zu Detigs Einfall - Da sitzen alle ARD-Intendanten an einem großen Konferenztisch, unterschreiben das Goebbels-Zitat...
... und RBB-Musikchef Detig moderiert, für Das Erste.
Teil 4: Zweierlei Maßstab des RBB
Riesenhaft hier
Der kritische Musikredakteur wird als „Straftäter“ und „Denunziant“ entlassen
Zwergenhaft da
Schonend wird die Moderation mit dem Goebbels-Zitat als „nicht glücklich“ kritisiert
Teil 5: Offener Brief zum Goebbels-Zitat
an die Intendantin des RBB und an die Intendanten von NDR und WDR:
„Ich möchte Sie bitten, derartiges in der ARD nicht zuzulassen.“
und die Antwort vom WDR.
Teil 6: Antwort der Intendanz des RBB
„Sie wissen, dass es hausintern eine kritische und konstruktive Debatte
über die Moderation von Christian Detig am 30. Mai 2005 gegeben hat“

Teil 7: Kein leichtfertiger Umgang mit dem Goebbels-Zitat zum Rundfunk!
3 Bilder als Mahnung und 3 Texte zum Nachdenken (Goebbels, Pohle, Detig)

„... Aufgabe, die Hörermasse empfangswillig zu machen für die Stunden, in denen der Staatsbürger angesprochen, informiert, beeinflußt werden sollte.“
Teil 8: Linkliste
a. Das Radio als Propaganda-Instrument in der NS-Zeit (weiterführende Literatur)
b. Zeitungsartikel zur Debatte über RBB-Kulturradio
c. Liste programmatischer Erklärungen zu NDR Kultur