Das GANZE Werk - Hörer-Analyse/Media-Analyse, NDR Kultur

Material:
Norddeutscher Rundfunk, 5. März 2008, 17. Juli 2007 und 7. März 2007
ARD-Werbung Sales & Services GmbH www.reichweiten.de, 5. März 2008

Das GANZE Werk, 9. März 2008

ma 2008 Radio I, ma 2007 Radio II und ma 2007 Radio I

Neue Rezepte sind gefragt: In einem Jahr verliert NDR Kultur sowohl im Sendegebiet als auch bundesweit 15 % seiner Hörer

Hintergrundinformationen und Kommentar

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Inhalt
NDR-Kultur-Hörer gestern im NDR-Sendegebiet
Andere Zahlen: Bundesgebiet, weitester Hörerkreis und der Hang zur Übertreibung
Verlautbarungen des NDR zu den drei letzten MA-Reihen
Anhang: „Das Erhebungsmodell der media analyse“ (Ausschnitt aus dem Abstract)

NDR-Kultur-Hörer gestern im NDR-Sendegebiet

Nach den von der Firma „ARD-Werbung Sales & Services GmbH“ veröffentlichten Hörerzahlen auf der Internet-Seite www.reichweiten.de mit den Einstellungen:

„Sendernutzung“, „Tagesreichweite (Mo-Fr)“, „nur Einzelsender“, „Vergleich zu ma 2007 Radio II Update“, „Angebot Alle“, „Basis SWH, HH, NDS, MVP“ (= NDR-Sendegebiet) - die Einstellungen zu „2. Zielgruppe“ auf der rechten Seite sind unerheblich

und dem Klicken auf den Schalter „Aktualisieren“ sieht man im 2. Senderblock, „Nord“:

Bis zum 5. März 2008 wurden für NDR Kultur 220.000 Hörer ermittelt. Bis zum 17. Juli 2007 waren es noch 245.000 Hörer (ma 2008 Radio I und ma 2007 Radio II). Die Vergleichszahlen zur „ma 2007 Radio I“ erscheinen dort merkwürdigerweise nicht, nach früheren Veröffentlichungen ergaben sich bis zum 7. März 2007 für NDR Kultur sogar 260.000 Hörer.

Diese Zahlen - Hörer gestern im eigenen Sendegebiet in der Zeit von Montag bis Freitag (Mindesthördauer: 15 Minuten) - sind für die Beschreibung der Reichweite eines Senders ohne Werbeeinnahmen die Basis- und maßgeblichen Vergleichszahlen, soweit keine vergleichbare qualitative Hörerbefragung stattfindet. Der österreichische Kultursender Ö1 führt eine solche qualitative Befragung alle drei Jahre durch, in seinem neuesten Magazin vom März 2008 berichtet Ö1-Chef Alfred Treiber ausführlich darüber. - Das Vorgehen bei der quantitativen Hörerbefragung wird im Anhang in einem Zitat von Dieter K. Müller genauer beschrieben.

Nach den oben genannten Werten der Tagesreichweite verliert NDR Kultur in einem Jahr im eigenen Sendegebiet 15 % seiner Hörer. Dieser Absturz für NDR Kultur ereignete sich ebenso im gesamten Bundesgebiet (siehe Grafik und NDR-Texte weiter unten).

Gründe dafür werden in unserer laufenden Berichterstattung beschrieben: Das hektische Hin und Her zwischen Wort und Musik, auf 2 1/2-Minuten zusammengepresste Wortbeiträge, normalerweise Einzel-Musiksätze in bunter Folge, oberflächliche Moderation, der häufige aufdringliche Jingle mit Claim „Hören und genießen“, ständige Unterbrechung durch Eigenwerbung oder ähnliches - diese Hauptbausteine sorgen bei denjenigen Hörern für Unmut, die tagsüber ein Kulturprogramm erwarten. Das als „Tagesbegleitprogramm“ konzipierte Programm hätte in Anlehnung an NDR Info eher die Bezeichnung NDR Info Kultur oder NDR Kultur-Info verdient.

Andere Zahlen: Bundesgebiet, weitester Hörerkreis und der Hang zur Übertreibung

Die Zahl der bundesweiten Hörer verkündet der NDR schon seit Jahren als die Tagesreichweite von NDR Kultur, ohne den Unterschied zur Reichweite im NDR-Sendegebiet richtig klar zu stellen (vgl. unten in der Tabelle: „Täglich schalten jetzt [x Tausend] Menschen NDR Kultur ein.“).

Rückt die PR-Abteilung eines Senders nicht nur zusätzlich, sondern stattdessen andere Zahlen in den Mittelpunkt, zum Beispiel

alle Hörer (= Hörer im Bundesgebiet),
Montag bis Sonntag oder
Kategorien wie „Stammhörer“1, „Gelegenheitshörer“2, „weitester Hörerkreis“3, „schon mal gehört“4 oder „Bekanntheitsgrad“5

(= „an mindestens vier von sieben Wochentagen gehört“1,
„an ein bis drei Tagen der Woche gehört“2,
„innerhalb von zwei Wochen vor der Befragung gehört“3
/Personen, die ein Programm überhaupt erreichen kann,
„schon einmal gehört“4
und
„ist bekannt“5),

kann man davon ausgehen, dass die normale Tagesreichweite im eigenen Sendegebiet weniger beeindruckend ist. - Die NDR-Formulierung

„Beim weitesten Hörerkreis, einem gerade für Minderheitenprogramme besonders aussagefähigen Wert“

sorgt mit ihrer wohlwollenden Kreativität bei den Experten regelmäßig - mindestens seit dem Sommer 2004 - für Überraschung (Recherche: das Wort „Minderheitenprogramme“ auf der Seite http://www1.ndr.de/unternehmen/ in das Suchfeld oben rechts unter dem „Besten im Norden“ eingeben). In NDR-Briefen zu Hörerkritik taucht bevorzugt diese Zahl auf:

„... rund 1,2 Millionen regelmäßige Hörer von NDR Kultur...“ (NDR Kultur-Chefin Barbara Mirow in einem Leserbrief in epd medien 9/07 vom 3. Februar 2007 zur dortigen Veröffentlichung unseres ersten Kulturwellenergleichs in epd 4/07, Hervorhebung nicht im Leserbrief)

Selbst die Charakterisierung „gelegentliche“ Hörer - siehe oben den Fall 2 - wäre bei der zitierten Zahl noch deutlich übertrieben...

Theodor Clostermann, abgeschlossen am 9. März 2008

Die Verlautbarungen des NDR zu den drei letzten MA-Reihen

Nach den Worten von Verantwortlichen des NDR positionierte sich NDR Kultur bei den drei letzten MA-Terminen folgendermaßen:

2007 I, 7. März 20072007 II, 17. Juli 20072008 I, 5. März 2008
NDR Kultur, das Klassik- und Kulturprogramm, legt erneut zu und erreicht eine Tagesreichweite von 2,3 Prozent im Sendegebiet:NDR Kultur, das meistgehörte Klassik- und Kulturprogramm im Norden, erreicht eine Tagesreichweite von 2,1 Prozent im Sendegebiet:NDR Kultur, das meistgehörte Klassik- und Kulturprogramm im Norden, erreicht eine Tagesreichweite von 1,9 Prozent im Sendegebiet:
Das NDR Programm vergrößert seinen Vorsprung vor dem kommerziellen Angebot Klassik Radio auf 0,6 Prozentpunkte.Das NDR Programm hält seinen Vorsprung vor dem kommerziellen Angebot Klassik Radio mit 0,5 Prozentpunkten.Das NDR Programm hält seinen Vorsprung vor dem kommerziellen Angebot Klassik Radio von 0,6 Prozentpunkten.
Täglich schalten jetzt 320.000 Menschen NDR Kultur ein - ein Plus von fast 30.000.Täglich schalten jetzt 306.000 Menschen NDR Kultur ein.Täglich schalten jetzt 272.000 Menschen NDR Kultur ein.
Beim weitesten Hörerkreis, einem gerade für Minderheitenprogramme besonders aussagefähigen Wert, erreicht NDR Kultur 8,2 Prozent im Norden.
Bundesweit entspricht dies gut 1,2 Millionen Menschen.
Beim weitesten Hörerkreis, einem gerade für Minderheitenprogramme besonders aussagefähigen Wert, erreicht NDR Kultur 8,3 Prozent im Norden - das beste Ergebnis seit sechs Jahren.
Bundesweit entspricht dies gut 1,22 Millionen Menschen.
Beim weitesten Hörerkreis, einem gerade für Minderheitenprogramme besonders aussagefähigen Wert, erreicht NDR Kultur 8,4 Prozent im Norden - das beste Ergebnis seit sieben Jahren.
Bundesweit entspricht dies gut 1,28 Millionen Menschen.
Für die Veröffentlichung verantwortlich:
NDR Intendant Prof. Jobst Plog a.D.Joachim Lampe, Stellvertretender Intendant und Produktionsdirektor des NDR a.D.Intendant Lutz Marmor

Anhang

1. Workshop des Medienwissenschaftlichen Lehr- und Forschungszentrums (MLFZ) Köln

Ausschnitt aus dem Abstract

„Das Erhebungsmodell der media analyse“

Von Dieter K. Müller

Die Daten der ma-Radio, die jährlich in zwei Wellen erhoben werden, geben vor allem Auskunft über die Größe und Struktur der Nutzerschaft. Sie sind wichtige Daten für Programmplanung und Programmcontrolling. (...) Grundgesamtheit ist die deutsche Bevölkerung in Privathaushalten am Ort der Hauptwohnung in der BRD im Alter von 14 und mehr Jahren. Das sind derzeit 64,43 Millionen Menschen(...). Im Rahmen der ma werden ca. 60.000 Personen in ganz Deutschland analog zur regionalen Verteilung befragt (repräsentative Teilerhebung). (...)

In einem knapp halbstündigen Telefoninterview werden Angaben zur Mediennutzung (v.a. Radio, aber auch TV-, PC-, Laptop-, und Online-Nutzung), Soziodemografie, Haushaltsausstattung, Empfangbarkeit von elektronischen Medien, Freizeitverhalten, ermittelt.

Zur Erhebung der Nutzungsdaten der einzelnen Radiosender werden dem Befragten alle in seinem Gebiet empfangbaren Sender mit Namen bzw. Slogan vorgelesen (= gestützte Erhebung). Darüber hinaus kann er weitere gehörte Sender offen nennen. Die Filterführung im Interview wird automatisch vom Computer übernommen und ist damit für den Interviewer sehr einfach.

In einem ersten Schritt wird ermittelt, welche Sender der Befragte „schon mal gehört“ hat (Generalfilter). Für alle schon mal gehörten Sender wird im zweiten Schritt der Zeitpunkt des letzten Hörens festgestellt. Der Befragte muss im dritten Schritt zu allen Sendern, die er innerhalb der letzten zwei Wochen gehört hat (Weitester Hörerkreis), angeben, an wievielen von 6 Werktagen er diesen Sender hört (Filter zur Hörhäufigkeit). Im vierten und letzten Schritt werden alle Nutzungsvorgänge und Tätigkeiten des „gestrigen“ Tages (5 bis 24 Uhr), also des Tages vor der Befragung, in Viertelstundenschritten im sogenannten Tagesablauf erfasst.

Quelle:
Universität zu Köln,
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät,
Medienwissenschaftliches Lehr- und Forschungszenturm,
Abstracts zum 1. Workshop des Medienwissenschaftlichen Lehr- und Forschungszentrums (MLFZ)
„Sozialer Wandel und Mediennutzung in der Bundesrepublik Deutschland: Nutzung der Daten der Media-Analyse von 1972 bis 2000 für Sekundäranalysen“, ohne Datum (2004 oder 2005)