NDR Kultur: Werbesendungen...

NDR Kultur, 2. November 2006, Moderation um 7.46 Uhr

Der „kurze Dienstweg“ des NDR für seine Konzerte („Hamburger Abendblatt“) ist inzwischen ein kurzer Serviceweg für die Kulturpartner von NDR Kultur geworden

Der Beweis: Ein Moderator bestätigt, dass die Konzertagentur der
„Pro-Arte-Konzerte“ in Hamburg „Kulturpartner“ von NDR Kultur ist

NDR Kultur - der „Service“-Trommler, „dank Ihrer Gebühren“

In der ausführlichen Reportage über die „Dauerwerbesendung“ am 5. Oktober 2006 von 9 bis 10 Uhr zugunsten eines Konzerts im Zyklus B der „Pro-Arte-Konzertreihe“ mit Kurt Masur, der Pianistin Helen Huang und dem London Philharmonic Orchestra am gleichen Abend in Hamburg haben wir, weil wir im Internet keinen Beleg finden konnten, vorsichtig geschrieben:

Das NDR-Eigeninteresse, ständig für seine Sendungen, Konzerte und Veranstaltungen zu werben, und die Bereitstellung seines Apparats zugunsten seiner Medien- und Kulturpartner (zu denen die entsprechende Konzertagentur vermutlich auch gehört) prägen heute maßgebend das Programm, es ist ein System der Selbstbedienung des Senders und der Bedienung seiner Partner. Achten Sie einmal selbst beim Zuhören darauf: ständig wird Ihnen etwas Neues angeboten.

Diese Ungewissheit ist für uns zur Gewissheit geworden. Zwei Hörer haben uns berichtet, dass der Moderator von NDR Kultur am 2. November 2006 um ca. 7.46 Uhr, also kurz vor der Morgenandacht, folgenden werbenden Hinweis gab:

Abends werde es um 19.30 in der Hamburger Laeiszhalle ein Konzert mit Martha Argerich und ihrer Duo-Partnerin Lilya Zilberstein geben, das in der „Pro-Arte-Konzertreihe“, „Kulturpartner“ von NDR Kultur, veranstaltet werde - gemeint ist die Dr. Rudolf Goette Konzertdirektion in Hamburg.

„Schon einmal“ eine Kostprobe, wenn auch keine wirkliche und zum 11. Mal in den letzten fünf Monaten

Damit die Hörer „schon einmal“ Martha Argerich hören könnten, sendete NDR Kultur von Joseph Haydn das „Rondo all'ungarese“, das Finale des Klavierkonzerts D-dur, Hob XVIII:11, in der Interpretation von Martha Argerich (Pianistin und Dirigentin) und der London Sinfonietta, Dauer: sage und schreibe 4 Minuten. Kein Schnäppchen, nur Häppchen.

So war es vorher in den letzten fünf Monaten schon mindestens 10 x, hier also zum 11. Mal als Musikeinschub zu Werbezwecken. Rechtzeitig vor den Konzerten von Martha Argerich und Lilya Zilberstein am 12.8. in Lübeck und am 13. 8. Kiel beim Schleswig-Holstein Musik Festival 2006 hat NDR Kultur Anfang Juni diese Interpretation zur Standardinterpretation für diesen Satz gemacht, die anderen Aufnahmen mit Leif Ove Andsnes, Emanuel Ax und Jewgenij Kissin kamen seitdem nur 5 x und vorher von Januar bis Mai 2006 insgesamt 9 x vor. Das können wir „schon einmal“ festhalten.

Nach einem Hörerbericht sendete NDR Kultur im Laufe des Tages noch „unentwegt“ Hinweise für das Konzert. Musikalisch ist dazu in den NDR-Musiklisten dokumentiert:
- um 9.10 Uhr von Ludwig van Beethoven das „Rondo. Allegro molto“ (3. Satz) aus dem Klavierkonzert Nr. 2 B-dur, op. 19, mit Martha Argerich und
- um 15.45 Uhr von Wolfgang Amadeus Mozart das „Allegro“ (1. Satz) der Sonate D-dur für Klavier zu 4 Händen, KV 381, hier tatsächlich zusammen mit Lilya Zilberstein - aus deren neuer CD.

NDR Kultur - der „Service“-Trommler, „dank Ihrer Gebühren“

Man sieht, es geht alles fein säuberlich nach Plan. Nur die Moderationsworte passen sensationsorientiert nicht dazu, nach dem Motto: das weiß ja keiner.

In einer Artikel-Serie des „Hamburger Abendblatts“ zu den Orchestern der Hansestadt schrieb Joachim Mischke am 31. August 2006 in dem Teil „NDR-Sinfonieorchester“:

Man hat mit seinen Abo-Konzerten ein sicheres Fundament. Sollte mal ein Konzert nicht so gut verkauft sein, kann man auf dem kurzen Dienstweg mal eben die hauseigene PR-Maschinerie in Gang setzen, um die Reihen aufzufüllen.

Wie man sieht, ist der Kreis schon längst auf die Kulturpartner, zu denen Konzertagenturen gehören, ausgedehnt worden. Aus dem „kurzen Dienstweg“ ist ein kurzer Serviceweg geworden. Immerhin „trieb Plog den Umbau des NDR von einer ‚Anstalt‘ zum serviceorientierten Unternehmen voran“ (Der NDR zu seinem Intendanten). Da soll es doch von der NDR Media GmbH so ein „Communication Center“ geben. Es „ermöglicht allen Redaktionen und Programmen den Dialog mit ihren ‚Kunden‘“, zum Beispiel zur „Begleitung von Schwerpunkt-Sendungen in Radio und TV“. Hat es seine Finger im Spiel?

Über das Konzert, das sei abschließend bemerkt, schreibt meg am 4. November 2006 im „Hamburger Abendblatt“:

Über Martha Argerich schrieb Joachim Kaiser, das Unheimliche, ja Unstete an dieser außergewöhnlichen Pianistin sei, dass sie „eigentlich sehr selten so gut spielt, wie sie eigentlich spielt, spielen kann, spielen könnte.“ Da ist immer noch etwas dran: Mit ihrer langjährigen Duo-Partnerin Lilya Zilberstein warf die Argerich bei ihrem Pro-Arte-Auftritt in der Laeiszhalle dann auch nur einen Teil ihrer pianistischen Verve in die Waagschale.

Kein Super-Superlativ - wie in der Werbesprache von NDR Kultur üblich. In dem Bericht der „WELT“ gab es für die beiden Pianistinnen am 4. November 2006 wenigstens den inhaltlichen Superlativ:

Martha Argerich und Lilya Zilberstein gaben ein phänomenales Konzert in der Laeiszhalle.

Theodor Clostermann, 5. November 2006

Lesen Sie die Vorgeschichte zu dem „Pro-Arte“-Konzert am 5. Oktober 2006:

Masur-Konzerte in Braunschweig und Hamburg
Offenes Themen-Placement für ein Konzert, eine ganze Stunde lang
Eigentlich müsste dieser Sender heißen: „NDR Kultur-Info“ (formale Bezeichnung) oder „NDR Kultur-Werbung“ (ehrliche Bezeichnung)
Bericht, Analyse, Kommentar und Dokumentation zu einem wichtigen Thema
NDR Kultur, Matinee am 5. Oktober 2006, 9 bis 10 Uhr