NDR - der Intendant

NDR Kultur, 18.12.2004, 18.03 bis 18.30 Uhr
Prof. Jobst Plog im Gespräch mit Stephan Lohr

Ausschnitte des Gesprächs zum Thema Hörfunk


Der Intendant spart nicht mit schönen Worten:
Auch Angebote für einen Kreis, der kleiner ist +
Erhalten + Integrationsauftrag

Aber wichtig: Jüngere Hörer am Radio
Und nicht wirklich wichtig: Musik im Radio
Oder? - Der Intendant deutet keine Korrektur an

Ankündigung des Interviews von NDR Kultur
Aktuelle Kultur-Hofberichterstattung
, der etwas andere Kommentar von Carsten Molnar

(am Anfang: ARD, 9 Anstalten mit einer Stimme nach außen, Informationskompetenz, Zusatzangebote Arte usw., verschiedene Profile)

Lohr: Wir reden auf der Welle NDR Kultur, der von klassischer Musik geprägten Kulturwelle des Norddeutschen Rundfunks. Deswegen auch eine Hinwendung mal zu den Radioprogrammen der ARD und im engeren des Norddeutschen Rundfunks. Auch hier leistet sich ja Öffentlich-Rechtlich etwas, was es privatwirtschaftlich so nicht gibt?

Plog: Richtig. Wir haben ein Angebot, das wir speziell auf die in Kultur interessierten Menschen zuschneiden wollen. Wir sind mitten in einem Reformprozess, weil wir gemerkt haben, dass unsere Programmangebote auch immer wieder sich ausrichten müssen nach den Interessen der Menschen, hier der kulturinteressierten Menschen. Wenn man in der Gefahr der Marginalisierung ist, dann muss man Strategien überlegen, wie man wieder mehr, in diesem Fall auch jüngere Hörer - wobei es nicht die ganz jungen sind, aber doch jüngere Menschen - an uns heranzieht. Da sind wir mitten in einem Experiment, das auch alle anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter vergleichbar haben, und wir suchen nach dem Weg, der uns diese Ziele realisieren hilft.

Lohr: Es gehört ja auch dazu, die Parallelität, die Betrachtung, dass fast alle ARD-Anstalten ihre Kulturradioprogramme zur Zeit reformieren, einerseits, um eben aus dieser Nische der Marginalität..., gar nicht da erst hineinzugeraten - oder wenn das der Fall gewesen sein sollte, da ganz schnell wieder rauszukommen -, einerseits das, und andererseits, dass wir spezifische Radioformen, die eine große Geschichte haben, pflegen wie das Feature oder das Hörspiel, auch das. An der Stelle sind wir Monopolisten geblieben?

Plog: Ja, wir haben bestimmte Kunstformen erhalten, ganz bewusst, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie gerade Kultur hatten oder nicht. Wir leisten uns auch jetzt in NDR Kultur noch, wenn Sie so wollen, bewusste Brüche, um etwas zu machen, was niemand so anbietet: "Am Morgen vorgelesen" ist so etwas beispielsweise, aber auch die Hörspiele, die unverändert stattfinden. Und plötzlich erleben Sie, dass die "Konjunktur" wieder anzieht. Hörbücher haben einen Markt, Hörspiele werden wiederum deutlicher bemerkt als eine ganze Zeit lang. Man muss auch solche Dinge erhalten, wenn sie einmal nicht so viel Zuhörer anzieht. Und das ist uns gelungen und heute geht's wieder aufwärts.

Lohr: Auch das, dieses Erhalten, ist eine Frage der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung?

Plog: Richtig, das sehe ich so. Wir können nicht nur uns nach den Bedürfnissen von vielen richten, sondern wir müssen auch Angebote machen für einen Kreis, der kleiner ist.

(dazwischen: Gebühren, Pay-TV, regionale Kulturveranstaltungen, Orchester nicht Kernaufgabe, aber mäzenatisch gehalten, sie stehen für NDR aktuell nicht zur Disposition, Sportrechte, Harald Schmidt)

Lohr: Nun haben wir einen Medienwechsel erkannt: dass das Radio ein Begleitmedium ist, eher beiläufig gehört wird und nur noch kleine spezielle Minderheiten zu speziellen Sendungen anspricht. (!) Und wir müssen beim Fernsehen ständig, wie Sie das beschrieben haben, dieses Quantitäts-Qualitäts-Problem - täglich und immer wieder eigentlich mit jeder Sendung - lösen.

Plog: Ich glaube zunächst einmal: das, was wir Doppelstrategie genannt haben, der Kampf um Minderheiten und Mehrheiten mit unterschiedlichen auf die Zielgruppen zugeschnittenen Angeboten, ist noch die richtige Strategie für die nächsten Jahre, die vor uns liegen.

Was Radio anbelangt, wir haben das Radio ja doch auch sehr verändert. Und wir haben Angebote, die etwa im Informationsbereich nicht schlagbar sind.

Wenn ich morgens um Viertel nach sieben den Wecker höre und der Wecker ist das Radio, höre ich zunächst einmal NDR Info und ich weiß eins genau: Wenn ich die nächste Viertelstunde drauf bleibe, dann weiß ich, was bis eine Viertelstunde vorher passiert ist. Das liefert Ihnen niemand. Das liefern die Zeitungen nicht, die dann später kommen und älter sind. Und das Fernsehen kann auch nur den Hörfunk schlagen, wenn es Bilder hat.

Und von daher ist Hörfunk ein sehr aktuelles Medium, das man auch so nutzen kann: Man steigt in einen Info-Kanal ein, man wechselt auf einen anderen Kanal, auf NDR Kultur, um kulturelle Informationen schwerpunktmäßig zu haben, um Musik zu hören. Das ist eine Weiterentwicklung, die Sie so sicher früher auch nicht gehabt haben. Und Sie haben für den, der sich eher für regionale Informationen interessiert, ein eigens dazu ausgelegtes Landesprogramm. Das sind ja die erfolgreichsten Programme des NDR. Es gibt also auch dort, im Hörfunk, ein Spektrum, das funktioniert. Und von daher gibt es im Augenblick keinen Anlass, diese Strategie zu ändern.

Wir werden darüber nachdenken müssen, ob bei einer Explosion der Kanäle durch die Digitalisierung nicht noch feiner geschnitten werden kann und muss. Das ist ein Punkt, der die Konkurrenzfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betrifft.

Ich denke aber, solange wir Programme anbieten können, die auch den Integrationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfüllen, also die in der Gesellschaft integrierend wirken, sie zusammenhalten, ist dieser Weg vorzuziehen.

(am Schluss: junge Leute)

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