kulturradio vom rbb - Moderation

kulturradio vom rbb, Mittwoch, 20. Juni 2007, 10.53 Uhr, und anderes

Ist die Kultur des „Vaterlands“ in Gefahr?

Unbekannte „Auferstehungssinfonie“ oder Komponistentausch - „Ungemein berührende“, „ganz weich“ machende Klavierfantasie - Jupiter-Sätzchen - Im Mix mit „einer Polka von Johann Strauß-Sohnemann“

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Am 20.06.2007 kommt es um 10.53 Uhr zu einem kühnen Versuch: der amtierende Moderator schiebt Mahlers „Auferstehungssinfonie“ Johannes Brahms in die Schuhe. Wie kommt der Moderator dazu, obwohl es in der veröffentlichten Musikliste im Internet richtig stand? Hat er vielleicht nebenbei an das „Requiem“ von Brahms gedacht? Übrigens hat er später die Hörer auch nicht um Entschuldigung für seinen Irrtum gebeten, nach dem Motto: Es wird schon keiner merken, die angestrebte Hörerklientel hört ja eh nur „nebenbei“.

Komponistentausch - eine bedenkliche Entwicklung, und das von einem Kultursender. Wir hatten gemeldet, dass das kulturradio vom rbb am 12. März 2007 geglaubt hatte, „Aus Böhmens Hain und Flur“ aus Dvoráks Vaterlands-Zyklus gesendet zu haben. Nach (oder auch trotz) der von uns veröffentlichten Kritik wurde erst am 3. Mai 2007 auf der dann nicht mehr direkt zugänglichen Musikliste korrigiert, dass die sinfonische Dichtung von Bedrich Smetana ist.

Wer kümmert sich beim Sender um die sachliche Richtigkeit der Musikinformationen? Nicht dass wir dann auch noch zu hören bekommen, die sinfonischen Dichtungen aus Smetanas Zyklus „Mein Vaterland“ stammten (auch) von Zelenka, Johann Stamitz, Janácek, Martinu oder gar von Mahler, bloß weil sie auch in Böhmen beheimatet waren.

„Jupiter, der Bringer der Fröhlichkeit“ (G. Holst)

Wenn der Sender nicht zu einer korrekten Handhabung in der Lage ist, schlagen wir tagsüber - nach dem Muntermacherprinzip des Senders - ein Rotationsprinzip vor. Zum Beispiel die bekannte und beliebte Jupitersymphonie mal von Wagner, mal von Grieg, heute von Henze und morgen von Louis Moreau Gottschalk - der nun wahrlich lange nicht an der Reihe war - oder auch mal von Gustav Holst, der ja auch so etwas komponiert hat. So bringt man Fröhlichkeit ins Haus. Außerdem ist es auch völlig egal, was von wem stammt, solange man es aus dem Zusammenhang reißen und verhackstücken kann.

Weitere Bonmots

Am 25. Juni erläutert der Moderator um 10.15 Uhr die in der „Klassik-Börse“ zur Auswahl stehende Klavierfantasie von Robert Schumann wie folgt: „Sie ist ungemein berührend. Man wird ganz weich, fast liebeskrank, wenn man sie hört.“ Wenn der Sender sich hier in musikalischer Hinsicht so einfühlsam zeigt, warum ist er es dann nicht auch bei unserer berechtigten Kritik am „Tagesbegleitprogramm“?

Kurz darauf wurde „eine Polka von Johann Strauß-Sohnemann“ angesagt. - Warum nicht gleich von Johann Strauß-Söhnlein? Da winkt doch gleich - man denke nur an die vielen Bach-Söhnlein, ja sogar Wolfgangerl kann da noch mitgehen - eine ersprießliche Kulturpartnerschaft mit einer Sektkellerei aus dem Rheingau. So bringt man Festlichkeit zu Konzert-Events.

Fazit

Die RBB-Intendantin ließ uns in einem Brief im Mai wissen, dass sie unsere Kritik „zum Gegenstand von Redaktionssitzungen“ macht. So danken wir für die Anregungen aus dem laufenden „Tagesbegleitprogramm“, die so zahlreich sind, dass wir sie leider nicht alle entsprechend aufgreifen können. Allmählich aber lernen wir dabei etwas über die Art der „Kultur“-Vermittlung dieses „Kultur“-Senders.

Hansjoachim Hölzel, 1. Sprecher Initiative DGW BB
abgeschlossen am 12. Juli 2007