NDR-Rundfunkrat
Beschwerde von Frau H. aus L. (10. Januar 2005)
"Im NDR habe ich Mozarts 21. Klavierkonzert gehört, kann ich die Aufnahme einmal hören?" - "Nein, das ist es aber nicht"
Nachdem ich den 2. Satz anspiele:
"Ja, das ist jetzt das richtige!"
Sehr geehrte Gräfin Kerssenbrock,
wie gerne habe ich doch den NDR 3 gehört, als die "Kultur" noch nicht so weit vorgedrungen war. Nun haben wir "Kultur" am laufenden "Jingle"-Band, aber leider nur noch wenige interessante Sendungen!
Da ich in einem CD-Klassik-Geschäft tätig bin und tagtäglich mit Kunden über Musik spreche, erfahre ich doch viel über Ihr "Kultur"-Angebot. So spielen sich häufig ähnliche Dialoge wie die folgenden ab:
"Ich möchte bitte eine Aufnahme vom 3. Satz von Mendelssohns 4. Sinfonie!"
"Darf es auch die ganze sein?"
"Im NDR habe ich Mozarts 21. Klavierkonzert gehört, kann ich die Aufnahme einmal hören?" - "Nein, das ist es aber nicht" - (Nachdem ich den 2. Satz anspiele:) "Ja, das ist jetzt das richtige!"
Diese "Aufklärungs-Arbeiten" gehören, seit es das Klassik-Radio gibt, zum Alltag, aber von einem selbsternannten "Kultur"-Sender finde ich es beschämend, wie mit unseren Geldern umgegangen wird.
Wo sind die Moderatoren Knauer, Hartmann, Zander u.a. geblieben, die nicht aus irgendeinem Kalender die Geburts- und Sterbedaten "berühmter" Personen ablesen und danach Musik bieten, die in aber auch gar keinem Zusammenhang zum vorher gebrachten Text stehen?
Der NDR verfügt über ein großes Archiv, warum müssen oftmals mehrmals in der Woche so bekannte "Häppchen" wie z.B. Mendelssohns Saltarello, Bachs Badinerie u.a. gespielt werden? Kammermusik und zeitgenössische Komponisten sind dagegen kaum vertreten. Was ist mit den interessanten Themen-Wochen und die Einführung dazu am Sonntag Nachmittag?
Vielleicht kann ja der Enjoy-Sender die Aufgabe der Klassik-Verbreitung an die Event-Generation übernehmen, aber einen Sender muß es doch wohl auch für Menschen geben, die nicht nur ihre CDs auflegen wollen, sondern ihr Radio einschalten möchten, um Kultur zu empfangen!
Dieses Schreiben ist eine förmliche Beschwerde über die Programmgestaltung, die von vielen Freunden und Bekannten unterstützt wird, sowie das Begehren nach einer Befassung der zuständigen Gremien mit diesem Thema.
Mit freundlichen Grüßen
gez. H.
Als Antwort erhielt Frau H. das Schreiben der Vorsitzenden des NDR-Rundfunkrates, Dagmar Gräfin Kerssenbrock, vom 24. Januar 2005.
Brief von Frau H. aus L. (7. Februar 2005)
"Da ich in der Musikbranche tätig bin und täglich Kontakt zu Musikhörern habe, stehe ich mit meiner Meinung nicht alleine da, die Klagen häufen sich rasant!"
Lieber NDR,
nachdem ich einen so nichtssagenden Antwortbrief von Ihrer Rundfunksratvorsitzenden, Gräfin Kerssenbrock, erhalten habe, der leider nur bestätigt, daß Sie keine Diskussion mit dem Hörer wollen, möchte ich noch einmal den Versuch machen, die Meinung vieler Musik- und Kulturinteressiereter darzustellen.
Warum hat der NDR eigentlich Angst vor einer Diskussion mit den Gegner der jetzigen Programmgestaltung? Ansonsten ist es nicht zu erklären, warum E-Mails und Briefe nur pauschal abgewimmelt werden, ohne auf die Kritikpunkte einzugehen. Wenn ich z.B. meine Ansichten darlege, kann man mir doch nicht die Satire-CD gegen den NDR vorwerfen, mit der ich nun gar nichts zu tun habe!
Wenn Kultur und klassische Musik den Hörern nahe gebracht werden sollen, ist es vielleicht nicht die ganz richtige Art, einen Sender zu nehmen, der wohl zum größten Teil von schon Kultur-Interessierten eingeschaltet wird. Sie sollten sich überlegen, mit welchem Sender Sie welche Zielgruppe erreichen wollen und welche überhaupt nicht. Zu der Nicht-Gruppe gehören jetzt viele enttäuschte ehemalige NDR 3 Hörer! Alle anderen Gruppen haben Sie wohl mit Ihren anderen Sendern abgedeckt!
Es erhebt sich die Frage, ob Sie in Ihren anderen Sendern auch Klassik-Häppchen verteilen, wie Sie es mit Nicht-Klassik auf NDR Kultur tun, wobei nichts gegen diese Werke gesagt sei, nur: gleiches Recht für Alle!
Ihr Kultur-Chef meint, wer ein komplettes Werk hören möchte, könnte sich ja eine CD auflegen: es gibt viele CDs, die ein Sammelsurium von Stücken vereinen, die Ihrem Kulturbegriff entsprechen, über Griegs Morgenstimmung, Schostakowitschs Walzer, Boccherinis Menuett, Bachs Air und vielen anderen. Das ist nun wirklich kein Argument für Ihren Programmstil! Außerdem erwartet niemand, daß Sie keine dieser Werke spielen, aber auch tagsüber dürften wieder Sendungen mit einem erkennbaren Zusammenhang zu hören sein.
Apropos Zusammenhang: wenn Sie schon eine kleine Bemerkung über Albert Schweitzer am Sonnabend Nachmittag nach einem Werk von Roman übrig haben, dann erwarte ich vielleicht doch ein Orgelwerk von Bach, gespielt von Schweitzer und nicht Stamitz!
Soviel ein letztes Mal zu diesem Thema, und wie schon im vorigen Brief gesagt: Da ich in der Musikbranche tätig bin und täglich Kontakt zu Musikhörern habe, stehe ich mit meiner Meinung nicht alleine da, die Klagen häufen sich rasant!
Ein freundlicher Gruß von einer enttäuschten Hörerin
gez. H.
Lesen Sie den Brief der Rundfunkratsvorsitzenden:
Gräfin Kerssenbrock teilt den Beschluss des Programmausschusses mit
Standardbrief an die Beschwerdeführer, 24. Januar 2005
Die vorgenommenen Veränderungen bei NDR Kultur sind richtig
Lesen Sie die Antwort des Sprecherrates der Initiative Das GANZE Werk:
Schreiben an alle Mitglieder des NDR-Rundfunkrates
Antwort an Gräfin Kerssenbrock, 31. Januar 2005
Kritik an Satire sollte kein Grund dafür sein, ein Gespräch zu verweigern, in dem es um Vorschläge und berechtigte Ansprüche engagierter und besorgter Hörer geht
Lesen Sie Briefe von einzelnen Hörern:
Brief von Herrn S. aus Hamburg, 25. Februar 2005
NDR Kultur = Berieselungsanstalt mit endlosen Wiederholungen, wie in einem Paternoster
Begrenzte Auswahl aus einem riesigen Repertoire
Brief von Rudolf Kelber aus Hamburg, 25. Februar 2005
Es ist bedauerlich, dass Sie das Gespräch über Programminhalte verweigern
Rudolf Kelber ist Produzent der Satire-CD
2. Brief des Hörers L. aus Hamburg, 19. Februar 2005
Ich möchte in Anspruch nehmen, daß Sie auf meine und anderer Kritik eingehen
Sie gehen auf mein Anliegen mit der Musik-Präferenzstudie mit keinem Wort ein
Brief von Frau H. aus L., 7. Februar 2005
"Da ich in der Musikbranche tätig bin und täglich Kontakt zu Musikhörern habe, stehe ich mit meiner Meinung nicht alleine da, die Klagen häufen sich rasant!"